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Abschlussbericht, 2. Projektjahr

Dornach (Schweiz) und Ogawa (Japan, Saitama),
Frühling 2023 bis Frühling/Sommer 2024

Das Thema des zweiten Projektjahres war "Handpuppenbau und -spiel" mit dem Ziel einer selbst entwickelten Bauart aus japanischen Naturmaterialien und einer Aufführung.
Im Oktober 2023 mündete es in mein Auslandjahr in Japan.

Die Teilziele waren:

 

Nach meiner Ankunft in Japan habe ich Herrn Kikuchi, dessen Bilderbuch "Der Fluss im Hochsommer" ich im Sommer 2023 in Dornach als bilinguales Kamishibai aufgeführt habe, wiedergesehen und mit ihm die Umsetzung dreier weiterer Geschichten aus seiner Feder besprochen: eine Frühlings-, eine Herbst- und eine Wintergeschichte.

Im Herbst habe ich zwei der ausgewählten Geschichten übersetzt (Herr Kikuchi malt zur Zeit die 3., eine Frühlingsgeschichte.). Anschließend stellte sich beim Suchen der Originalgemälde jedoch heraus, dass es voraussichtlich länger dauert, die jahrzehntealten Bilder in seinen Lagern gründlich zu suchen und, hoffentlich, zu finden.

Ich nehme also die neuen Kamishibai erst später ins Repertoire auf. Auch sie sollen wieder auf Washi, traditionelles japanisches Papier, gedruckt werden. 

(Im hoffentlich nicht eintretenden Fall, dass manche Originale nicht mehr auffindbar sein sollten, werde ich die entsprechenden Geschichten gegen andere aus seinem Werk austauschen.)

Weitere Kamishibai von Hideo Kikuchi

Herbstgeschichte "Die Reisernteferien"

Reisernte, bei der ich ausgeholfen habe

Meine ersten Handpuppen

Im Frühling 2023 habe ich in der Schweiz zwei Workshops im Handpuppenbau besucht und dabei zum ersten Mal besagte Puppen aus der Nähe inspiziert und selbst gebaut: eine menschliche und ein Tier. 


Mein Wohnort in Japan, Ogawa in der Präfektur Saitama, ist Heimat einer von landesweit drei zum Unesco Weltkulturerbe ernannten Herstellungsarten von Washi, traditionellem japanischen Papier. Im Herbst bis Winter habe ich dort beim Modellieren von Tierhandpuppen mit der Sortenvielfalt des Japanpapiers experimentiert. Der Grund, dass ich für diese Arbeit Tiere gewählt habe, war, dass Washi oft langfaserig ist und in dieser Eigenschaft, vor allem an Rissrändern, an denen Fasern austreten, Fell ähnelt. Ich habe im Ausprobieren verschiedener Felltexturen 2 Pferde, 3 Shiba Hunde, 3 Katzen und 1 Schaf geschöpft. Hinzu kam das Kennenlernen der Behandlung mit Teufelskralle, durch die das Papier widerstandsfähig und wasserresistent wird und bei starker Bearbeitung sogar zu einer Art Stoff oder Leder gehärtet werden kann, welche man unter anderem mit Nadel und Faden nähen kann.

Darüber hinaus habe ich mit einer Kimononäherin ein Modell für japanische Handpuppenkleidung entwickelt.​ (Sie sehen dieses an den Hunden.)

(Leider kommen die Strukturen und Fasern der Papiere auf den Fotos schlecht heraus.)

Im Winter habe ich mich auf menschliche Puppen konzentriert. Dabei war es mein Ziel, eine nach Beleuchtung veränderbare Mimik zu schaffen, inspiriert von den Masken des Noh-Theaters. Als Haut habe ich mit Gofun experimentiert, dem traditionellen Muschelkalk zum Beschichten von japanischen Puppengesichtern.

Hier ist die Puppe noch unbeschichtet, unbemalt und trägt für die Fotos eine Perrücke, welche nicht für sie bestimmt ist

Auch beim Schöpfen der Tierpuppen habe ich zuletzt noch mit Licht und Schatten gespielt, nämlich bei den Augen der Katzen: Aus Glasmurmeln und farbigem Papier gemacht, leuchten diese, wenn sie im Zwielicht angestrahlt werden, wie echte Katzenaugen.

Forschung mit Naturmaterialien

Eine der Zielsetzungen für mein zweites Projektjahr waren die Recherche traditioneller japanischer Naturmaterialien in Beziehung zum Figurenbau und die anschließende erprobende Verwendung als Grundlage für mein weiteres künstlerisches Schaffen. Darunter waren neben Japanpapier auch Materialien verschiedener Puppenbau-Künste aus der Edo-Epoche (1603 bis 1868). Von Ogawa aus besuchte ich Künstler, Handwerker und Orte wie u.a. Iwatsuki und Konosu, zwei Puppenmanufaktur-Oasen Japans. So lernte ich die jeweiligen Materialien und Handwerkskünste vor Ort kennen.

Dabei habe ich mich befasst mit folgenden Materialien:
- Japanpapier: in eigener Herstellung aus Rohmaterial, im Kennenlernen von Marktsorten und in der Behandlung mit Teufelskralle
- Pappmaschee, Papier- und Steinknete
- Stärkekleber aus Reis und z.B. auch Mais
- Sägemehlknete aus Paulownia (aus der Herstellung von Kimekomi-Puppen)

- verschiedene Schnitzhölzer nach Eigenschaften, z.B. dem Gewicht
- Gofun (Muschelpulver für die meist weiße Beschichtung von Gesichtern und Händen traditioneller japanischer Puppen)
- Alternativen zum in Handpuppenköpfen häufig verwendeten Styropor und Styrodur

- ein wenig mit Pflanzenfärbung (Wolle)

Die Ergebnisse meiner Recherchen werden ab Herbst 2024 in Blog-Artikeln einleitend beschrieben. Später werden sie in meinem Handbuch/meinen Handbüchern für Erzähltheater und Figurenspiel ausführlicher behandelt, vor allem in ihren handwerklichen Aspekten. Ich habe in diesem Projektjahr meine eigenen Arten entwickelt, Handpuppen aus Naturmaterialien zu fertigen.

Folgende Themen sind für den Blog hervorgegangen:
⁃ Japanpapier: Herstellung und Geschichte
⁃ Interview mit Washi-Künstlerin Tomomi Nakano
⁃ Japanische Puppen
⁃ Natürliche Kleber

- Handpuppenworkshop mit Kindern

- Projektbegleitung an einer japanischen Highschool

aus der Japanpapierherstellung
Erste pädagogische Arbeiten

Während meiner Zeit in Japan wollte ich mindestens ein bis zwei Workshops im Handpuppenbau veranstalten. Es ist mein Anliegen, Gelerntes immer gleich lebendig und spielend in Begegnungen weiterzugeben.

Als nach Jahreswechsel meine Technik im Puppenbau mit Japanpapier gereift war, entschied ich mich, einen Workshop für Kinder zu halten und brachte das Angebot mündlich in Umlauf. So kam es dazu, dass eine Mutter-Kind-Gruppe mich ansprach und ich im Februar 2024 im wöchentlichen Rhythmus an gesamt vier Vormittagen vier Grundschulkinder, zwei Kindergartenkinder und einen Großvater beim Bau der jeweils frei erfundenen ersten Handpuppe begleitete.

In dieser Zeit ergab sich zudem die Chance für eine Projektbegleitung für das Schulfest an der Ogawa Highschool. Gesamt ungefähr 20 Schüler, darunter permanente Teilnehmer sowie Helfer, begleitete ich im Zeitraum von 5 Monaten bei der Erarbeitung der Geschichte „Die kleine Raupe Nimmersatt“ als Handpuppenspiel. Die Idee war, eine Collage-Welt, wie sie im Original von Eric Carle aus bunt bemalten Papieren gemacht ist, hier aus Japanpapier zu gestalten, für dessen traditionelle Herstellung der Ort Ogawa berühmt ist. Dabei sollte die Raupe die Speisen durchknabbern, indem sie in Form einer Handpuppe stellenweise in der Kulisse Papier durchreißt. Die Arbeit verlief in unterschiedlichen Zeitabständen zwischen Februar und Juli und das Spiel wurde auf dem Schulfest Anfang September aufgeführt, kurz nach meiner Rückreise in die Schweiz.

handpuppe-mann.png

Was den theoretischen Teil anging, lernte ich aus Vorträgen von Rudolf Steiner zur Pädagogik über die Entwicklung des Kindes in Beziehung mit seinem Umfeld und Spielzeug.

Traditioneller japanischer Puppenbau

Vor meinem Japanaufenthalt hatte ich mir bereits vorgenommen, in Japan eine traditionelle Puppenbauart zu lernen. Vor Ort fand ich mich fasziniert von der Kimekomi-Puppe, einer aus Holz oder Holzspanmasse geformten und mit Stoffstücken bezogenen Figur, die um 1736 bis 1741 (inmitten der Edo-Epoche) erfunden wurde. Die Kontaktaufnahme zu Herstellern in Iwatsuki, wo besagte Puppenmachart gut vertreten ist, und ihre freundliche Unterstützung ermöglichten mir im Frühling 2024 das Lernen.
In Zukunft möchte ich mit der Kimekomi-Technik komplexere Figuren gestalten und zudem meine Idee von der Kimekomi-Handpuppe verwirklichen. Mit ihr möchte ich als erstes das japanische Märchen "Momotarou" umsetzen.

Beleuchtete Transparentbilder

Ein weiteres meiner Ziele in der Arbeit mit Japanpapier waren rücklings beleuchtete Transparentbilder. Aus den vielen verschiedenen Marktsorten habe ich mir eine Übersicht geschaffen über die Eigenschaften der Papiere und über ihr Zusammenspiel bei Beleuchtung. Solche Bilder können inklusive Kleber rein aus Naturmaterialien geschaffen oder beispielsweise auch auf Acrylglas geklebt werden.

Was den Verwendungssinn angeht, wollte ich entweder Bildkulissen für das Handpuppenspiel oder eine unabhängige Bildgeschichte kreieren. Ich habe mich für die Kulissen zu meinem Handpuppenspiel entschieden und das Konzept erweitert mit dreidimensionalen Papierelementen.


Dabei ist eine sehr einfache, doch interessante Lichttechnik zu erwähnen, die ich an der Ogawa Highschool gelernt habe:

projektor.png

Aus alltäglichen Materialien kann eine Leinwand gebaut werden, auf die von hinten ein vorne sichtbares Bild oder Video projeziert wird. An der Vorderseite mit festen, lichtundruchlässigen Elementen gestaltet, z.B. mit einer Skyline oder mit einem kahlen Baum, kann mit der Projektion von hinten ein sich in Bewegung befindendes Bild entstehen, beispielsweise über der Skyline ein Nachthimmel, in dem anfangs Sterne blinken, ehe er sich zur Morgendämmerung und dann zum Tagesblau färbt, oder am Baum erscheinen rauschende Blätter, die sich durch die Jahreszeiten färben und fallen: Das analoge, handgemachte Bild vorne und die digitale Licht- oder Videoprojektion von hinten treffen einander und Bewegung entsteht.

hier eine leere Leinwand mit einem Naturfilm auf Youtube zur Erklärung

Bei der Kulisse gab es ein Problem: Sie umzusetzen, hätte bedeutet, sie nicht mit in die Schweiz nehmen zu können aufgrund der Größe und dementsprechend der Versandkosten der für ihr Volumen benötigten Kartons. Statt sie zu bauen, musste ich mich mit Material, flachen Japanpapieren, im Koffer begnügen, sowie mit der Aussicht, die Idee später in der Schweiz zu verwirklichen.

Ergänzungen...

In Japan wurde ich dem Marionettenmeister Yoshia Yamamoto vorgestellt. Er hat zugestimmt, mich zu unterrichten - mein Ziel für die Zukunft! 

Eine weitere meiner Begegnungen war die mit einem schnitzenden Künstler, der mir den Umgang mit kleinen Messern zu lehren begann. Gemeinsam haben wir Rudolf Steiners Planetensiegel in die entsprechenden japanischen Hölzer geschnitzt.

Übung, Venussiegel

links von meinem Lehrer, rechts von mir (unfertig)

Mein Tapetenwechsel zu meiner Projektarbeit bestand im Frühjahr aus regelmäßigen Besuchen bei einem alten Herrn an seinen selbstgebauten Webstühlen. Ich webte zum ersten Mal, und zwar Schals: Zuerst einen einfachen, an dem ich frei spielte und ausprobierte, gefolgt von einem komplexer Machart mit indischem Muster. Am Ende bekam auch eine meiner Handpuppen, ein Pferd, einen handgewebten Saum ans Kleid (das Probestück des komplexen, violetten Schals).

webschal-bunt.png
Fazit und Zukunft

In Überarbeitung...

Projekt für Bild-, Figuren- und Licht-Spiel-Kunst

©2022-2025 Annabell Kovacs

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